Die Heilmittelverordnung ist nur ein Baustein im therapeutischen Gesamtkonzept.

Jede Verordnung von Heilmitteln setzt eine gründliche Diagnostik voraus, bei der verschiedene Behandlungsoptionen abgewogen und die Therapie regelmäßig überwacht werden müssen. Dieser medizinische Aufwand bedeutet auch eine intensive Dokumentation.

Da die Vergütung über die BEMA begrenzt ist, ist es wichtig, wirtschaftlich zu arbeiten.

Das heißt: den Aufwand effizient gestalten und den Patienten zusätzlich auf mögliche private Zusatzleistungen hinweisen, um ein angemessenes Honorar zu erzielen.

Die Entscheidung für eine Heilmittelverordnung (HMV) auf Grundlage einer Diagnostik und Indikationsstellung ist ein komplexer Prozess. Dabei sind nicht nur medizinische Fakten zu berücksichtigen, sondern auch individuelle Faktoren des Patienten. Die Heilmittel-Richtlinie (§ 3 Abs. 6 HeilM-RL) fordert ausdrücklich die Berücksichtigung funktioneller oder struktureller Schädigungen sowie Beeinträchtigungen der Aktivitäten – stets im Kontext der persönlichen und umweltbezogenen Lebenssituation des Patienten.

Zudem sollte sorgfältig abgewogen werden, ob das angestrebte Therapieziel ausschließlich durch Heilmittel zu erreichen ist. Häufig können alternative oder ergänzende Maßnahmen – wie medikamentöse Therapien, ein gezieltes Eigenübungsprogramm oder das Vermeiden ungünstiger Verhaltensweisen – effektiver oder nachhaltiger sein. In solchen Fällen sind diese Optionen vorzuziehen.

§ 3 Abs. 2 Heilmittel-Richtlinie – Wann dürfen Heilmittel verordnet werden?

Heilmittel können zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn sie not-

wendig sind, um

  • eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern,

  • eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer

Krankheit führen würde, zu beseitigen,

  • einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,

oder

  • Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern

Die Diagnosestellung ist im BEMA sehr knapp vergütet

Für die Diagnostik im Zusammenhang mit einer Heilmittelverordnung steht Ihnen im BEMA im Wesentlichen folgende Position zur Verfügung:

  • BEMA-Nr. 01
    Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung.
  • Diese Position bildet die Grundlage, reicht jedoch wirtschaftlich kaum aus, um die notwendige umfassende Diagnostik und Dokumentation abzudecken.

Weitere Positionen: BEMA-Nrn. FU 1a–1c, FU 2, 01k

Wichtig:
Als Zahnarzt haben Sie jederzeit die Möglichkeit, Leistungen nach der GOZ abzurechnen.

Dennoch gilt:
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben grundsätzlich Anspruch auf eine Heilmittelverordnung (HMV) – auch dann, wenn sie private Zusatzleistungen ablehnen.

Eine HMV darf niemals an die Inanspruchnahme privater Leistungen gekoppelt werden.

Gerade deshalb ist es entscheidend, GKV-Patient*innen transparent über die Leistungsgrenzen der gesetzlichen Versorgung und die Vorteile einer erweiterten privaten Funktionsdiagnostik aufzuklären – etwa im Hinblick auf Qualität, Individualisierung und Langzeiterfolg der Therapie.

Relevante GOZ-Ziffern für diagnostische und therapeutische Maßnahmen in der Funktionsanalyse:

GOZ-Leistung:

GOZ-POs. 8000 Klinische Funktionsanalyse einschließlich Dokumentation

GOZ-Pos. 0030 Erstellen eines Kostenvoranschlags "nur Funktionsanalyse"

GOZ-Pos. 0040 Erstellen eines Kostenvoranschlags "mit funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Maßnahmen"

GOÄ-Pos. Ä1,Ä3, Ä34 Auswertung und Beratung

GOÄ-Pos: Ä399 Kautest:

  • Test für das generelle Vorhandensein einer Überdehnung einer Muskelgruppe
  • Muskelpalpation auf Schmerz der einzelnen Muskeln, Test für die genaue Lokalisation einer Überdehnung im Muskel

GOZ-Pos. 6190 Beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen

Individuelle Zusatzleistungen, analog abrechenbar gemäß § 6 Abs. 1 GOZ

  • Bewegungsanalyse bzgl. Kiefergelenksdysfunktion
  • CMD-Screening zur Überprüfung des Vorhandenseins spezifischer Symptome craniomandibulärer Dysfunktionen
  • Kondylenpositionsanalyse
  • Manuelle Strukturanalyse
  • Screening: Zahnverschleiß, Bruxismus
  • Test zur Aufdeckung orthopädischer und/oder psychosomatischer Co-Faktoren

Diese Anforderungen muss eine Heilmittelverordnung erfüllen

Sobald die Diagnostik und Dokumentation erfolgreich abgeschlossen ist, erfolgt die Verordnung gemäß den Vorgaben der Heilmittel-Richtlinie, Teil II (Heilmittelkatalog).

Der Heilmittelkatalog gibt Ihnen dabei verbindliche Instruktionen vor, die bei jeder Verordnung zu beachten sind:

Grundlegende Verordnungskriterien:

  • Indikationsgruppe
    Die Diagnose muss einer im Heilmittelkatalog aufgeführten Indikationsgruppe zugeordnet werden können
    (z. B. CD 2 – craniomandibuläre Dysfunktion)
  • Leitsymptomatik
    Die Verordnung muss auf eine konkret benannte strukturelle oder funktionelle Schädigung bezogen sein
    (z. B. CD 2d – eingeschränkte Beweglichkeit des Unterkiefers)
  • Therapieziel
    Das angestrebte Behandlungsziel muss im Einklang mit der Heilmittel-Richtlinie stehen
  • Heilmittelwahl
    Es darf nur ein im Katalog für die entsprechende Indikation vorgesehenes Heilmittel ausgewählt werden
  • Verordnungsmenge
    Die Anzahl der Einheiten richtet sich nach der Vorgabe für die jeweilige Indikationsgruppe

Auswahl des Heilmittels – maßgebliche Kriterien laut HeilM-RL:

  • Die Ausprägung und Schwere der Erkrankung
  • Die daraus resultierenden funktionellen oder strukturellen Schädigungen
  • Die konkreten Beeinträchtigungen der Aktivitäten des Patienten
  • Die individuell angestrebten Therapiezielen

Welches Heilmittel bei welchem Beschwerdebild?

Physiotherapie

  • 1.1 Craniomandibuläre Störungen, Indikationsgruppe CD1, Indikationsgruppe CD2
  • 1.2 Fehlfunktionen bei angeborenen cranio- und orofazialen Fehlbildungen und Fehlfunktionen bei Störungen des ZNS, Indikationsgruppe ZNSZ
  • 1.3 Chronifiziertes Schmerzsyndrom, Indikationsgruppe CSZ
  • 1.4 Lymphabflussstörungen, Indikationsgruppe LYZ1, Indikationsgruppe LYZ2

Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie

  • 2.1 Störungen des Sprechens, Indikationsgruppe SPZ
  • 2.2 Störungen des oralen Schluckakts, Indikationsgruppe SCZ
  • 2.3 Orofaziale Funktionsstörungen, Indikationsgruppe OFZ

Was die Menge der Behandlungseinheiten angeht, gilt laut Heilmittelkatalog: "Nicht bei jeder funktionellen oder strukturellen Schädigung ist es erforderlich, die Höchstmenge je Verordnung beziehungsweise die orientierende Behandlungsmenge auszuschöpfen."

Es ist dringend zu empfehlen, einen Therapiebericht anzufordern.
Dieser liefert wichtige Informationen zum bisherigen Verlauf und Therapieerfolg – insbesondere dann, wenn ein Folgerezept ausgestellt werden soll. Die Angaben aus dem Bericht sind notwendig, um die Fortführung der Verordnung medizinisch zu begründen und mit den bisherigen Befunden abzugleichen.

Auch eine Folgeverordnung erfordert wieder eine strenge Indikationsstellung

Für ein Folgerezept müssen wieder alle Faktoren aus der Diagnostik (erneute schädigungsabhängige Erhebung des aktuellen Befundes) mit der erfolgten Therapie verglichen werden. Dokumentieren Sie zudem die Gründe für eine Folgeverordnung.

Langzeitverordnung ‒ was ist das?

In bestimmten Fällen können Versicherte auf Basis der Verordnung eine Langzeitverordnung bei der gesetzlichen Krankenkasse erwirken. Für einen bestimmten Zeitraum erfolgt dann die Kostenübernahme der zuständigen Krankenkasse, ohne dass Sie erneute Verordnungen ausstellen müssen. Zeichnet sich also anhand des Schweregrades eine längere Therapiedauer ab, beraten Sie den Patienten eingehend und bitten Sie ihn, die Langzeittherapie bei der Krankenkasse zu beantragen.

Wenn die Therapie nicht erfolgreich war – wie geht es weiter?

Wird das individuell festgelegte Therapieziel nicht erreicht, sieht § 6a Abs. 3 der Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL) eine weiterführende Diagnostik vor.

Diese dient als Grundlage für die Entscheidung, ob:

  • die Therapie fortgesetzt werden kann,
  • alternative Maßnahmen einzuleiten sind oder
  • die Behandlung beendet werden sollte.

Die Vertragszahnärztin oder der Vertragszahnarzt entscheidet – abhängig von Art und Ausmaß der Schädigung – selbstständig, welche diagnostischen Maßnahmen sie oder er durchführt oder veranlasst.

In bestimmten Fällen kann es sinnvoll oder erforderlich sein, eine Überweisung an einen Facharzt vorzunehmen, um interdisziplinäre Ursachen abzuklären.

Checkliste: Anforderungen an eine Heilmittelverordnung

Vor der Verordnung:

0 Diagnostik nach BEMA-Nr. 01 (ggf. FU 1a–c, FU 2 oder 01k) durchgeführt

o Umfassende Dokumentation erfolgt

o Indikationsgruppe gemäß Heilmittelkatalog zugeordnet (z. B. CD 2)

0 Leitsymptomatik (funktionelle/strukturelle Schädigung) dokumentiert (z. B. CD 2d)

Bei der Verordnung:

0 Ziel der Therapie definiert

o Passendes Heilmittel laut Heilmittelkatalog ausgewählt

o Verordnungsmenge gemäß Vorgaben festgelegt

0 Auswahl des Heilmittels begründet durch:                         

                      ( ) Schweregrad der Erkrankung

                      ( ) Art der funktionellen/strukturellen Beeinträchtigung

                      ( ) Beeinträchtigung der Aktivität

                      ( ) Angestrebtes Therapieziel